Dienstag, 24. Oktober 2017
Alles neu - alles alt
Ein Neuanfang bedeutet nicht immer, dass alles neu ist. Es kann auch ein Neuanfang sein, einfach etwas hinter sich zu lassen, das man eine Weile gehabt hat - und in etwas zurückzukehren, was man eine lange Zeit nicht mehr hatte.
Hätte mir früher jemand gesagt, dass ich einmal in den Ort zurückkehren würde, in dem ich fast mein ganzes Leben verbracht habe, hätte ich ihm wohl eine runtergehauen. Als ich vor fünf Jahren in eine andere Stadt ging, um dort meine Ausbildung zu machen, jubelte alles in mir. Ich wollte hier fort. "Das alte Leben" nannte ich abfällig all das, was bis dahin mein Leben ausgemacht hatte. Ich wollte mit nichts davon mehr zu tun haben, alles hinter mir lassen, und woanders neu anfangen. So habe ich dann fünf Jahre lang gelebt - mit Höhen und Tiefen, neuen Freunden und tollen Momenten, falschen Freunden und bitteren Enttäuschungen. Je länger ich dort war, desto mehr kam die Einsicht, dass ein Leben immer genau so verlaufen würde, wohin es mich auch verschlug.

Als dann alles auf einmal geschah, war es, als gäbe es auf einmal nur diesen einen Weg für mich. Anders als in den Wochen vorher wusste ich plötzlich genau, was ich tun musste und was ich tun wollte. Es war so klar, und es lief so schnell wie von selbst, dass ich nur drei Wochen später plötzlich mit vollgepackten Taschen vor meinem Elternhaus stand. Ich sah es an, und es fühlte sich komisch an zu wissen, dass das kein normaler Besuch, sondern eine Rückkehr für immer war.
Ich war wieder da. Die fünf Jahre, die ich woanders gelebt und all das hier fast schon abgelehnt hatte, erschienen mir von einem Tag auf den anderen nur noch wie ein kurzer Ausflug in ein anderes Leben. Als ich ein paar Tage nach meiner Ankunft einen Spaziergang machte, lief ich die alten Wege ab. Wege, die ich, als ich hier lebte, mit besonderen Erinnerungen verband. Ich hörte Musik, so wie immer auf Spaziergängen, weil ich sonst meine eigenen Gedanken und Gefühle oft kaum aushielt.
In mir stiegen Bilder auf, gute und schlechte, aber alle intensiv. Erinnerungen an Erlebnisse mit alten Freunden. Empfindungen Leuten gegenüber, deren Leben sich schon vor längerer Zeit von meinem entfernt hatten. Alles, was ich sah, war mir fremd und vertraut zugleich. Es hatte sich fast nichts verändert - und wenn doch, waren es Kleinigkeiten, das Grundlegende war geblieben. Häuser, Bäume, Wege, Erinnerungen, Gefühle ... alles schien vor fünf Jahren einfach stehengeblieben zu sein und nur auf mich gewartet zu haben. Nur darauf, dass ich jetzt, hier und heute, zurückkehrte. Als hätte die ganze Welt es gewusst - nur ich nicht.
Doch all das Alte, Vertraute, war trotzdem neu. Denn ich sah es nun mit einem Gefühl an, dass ich dabei noch nie gehabt hatte: mit dem Gefühl, noch einmal neu anzukommen. Das versetzte mich in eine sonderbare, glückselig-verwirrte Stimmung, die mich mehr tanzen als gehen ließ - tanzen durch ein Meer von Bildern, Gefühlen und Farben, die meine Umgebung malten. Genauso wie damals, und doch irgendwie ganz neu.

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