Freitag, 8. November 2019
"Den Film muss ich mir zuhause nochmal ansehen." - welche Gründe mich vom Kino fernhalten
Es gibt Situationen, in denen es nicht unbedingt von Vorteil ist, Synästhesie zu haben. Welche das sind, ist wohl bei jedem unterschiedlich, schon alleine, weil ja jeder andere Synästhesien erlebt.
Ein Ort, der für mich sehr grenzwertig und nur schwer auszuhalten ist, ist das Kino. Die meisten jungen Leute lieben es, neue Filme gleich im Kino anzuschauen, frisch verliebt ins Kino zu gehen oder einfach ab und zu für das Kino-Gefühl. An diesem Punkt steige ich aus. Für mich lautet da ganz klar die Devise: lieber ohne mich. Wenn ich einen Film nicht nur verstehen, sondern auch genießen will, dann schaue ich ihn mir ganz in Ruhe zuhause an.
Schon als Kind war ich absolut kein Kinogänger, worüber sich besonders Freunde wunderten, die gern dahin einluden oder für die es ein Erlebnis war, ins Kino zu gehen. Ich wusste meistens nicht einmal, welche Filme da gerade liefen, denn das war für mich eh nicht wichtig - was ich sehen wollte, guckte ich per Video oder DVD (und heutzutage vielleicht auch mal im Internet). Ich mochte Kinos einfach nicht, nach Möglichkeit hielt ich mich von ihnen fern.
Das ist bis heute so geblieben. Natürlich gab es Situationen, wo ich nichts dagegen machen konnte. Eine Geburtstagsfeier konnte ich im Notfall absagen, doch wenn die Schule entschied, dass unsere Klasse ins Kino geht, musste ich mit. Vor allem, wenn ich nicht wollte, dass die Lehrer stundenlang mit mir diskutierten, was ich denn gegen das Kino habe und dass ich mich mit meiner "blühenden Fantasie doch mal zurückhalten" sollte. Schließlich sei ich nicht anders als der Rest der Klasse, wurde mir gesagt.
Außerhalb der Schulklassen schaffte ich es jedoch, fast immer um irgendwelche Kinobesuche herumzukommen, ohne dass jemand blöde Fragen stellte. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die mich bisher freiwillig in ein Kino bekommen haben. Darunter natürlich die Freundin mit der abschirmenden Farbe.
Apropros abschirmende Farbe - genau das ist der Punkt. Das Kino vereint zufällig alle für mich unangenehmen Faktoren, die mich ablenken und meistens überreizen ... Das fängt erstmal damit an, dass im Normalfall der Kinosaal voller Menschen ist - und voll von deren Gefühlen. Das alleine wäre an guten Tagen kein großes Problem, denn es gibt unzählige Situationen, wo ich von vielen Leuten umgeben bin. Weihnachtsmärkte, Klassen, Warteräume, Busse, Weiterbildungen, Restaurants und so weiter. Da sind immer viele Menschen und viele Farben, und daran bin ich ja gewöhnt.
Aber im Kino ist es dunkel. Das ist, als ob man auf ein schwarzes Papier mit bunten Pinseln Farbtupfer spritzt - die Farben treten klar und deutlich, geradezu übermächtig hervor, so als ob sie nicht nur vor meinem inneren Auge wären, sondern als würde der ganze Raum aus ihnen bestehen. Es sind ja, bis auf die Kinoleinwand, sonst keine optischen Reize da, in denen die Farben wie sonst untergehen können. Sie schieben sich wie ein Netz vor mein Blickfeld, wie ein Schleier, durch den ich erstmal durchgucken muss, um den Film zu sehen - und mich auf ihn konzentrieren zu können! Durch diese so überdeutlichen Gefühle der anderen Kinobesucher bin ich abgelenkt, ohne dass ich es will, und bräuchte meine ganze Konzentration, um zumindest zeitweise alles außer dem Film auszublenden.
Hinzu kommt die riesige Kinoleinwand, die so hell ist, dass ich das Gefühl habe, sie knallt gleich auf mich drauf. Keine Ahnung, warum ich das so empfinde, aber ich fühle mich von ihr regelrecht erschlagen, presse mich automatisch in die Rückenlehne, als könnte ich dadurch den Abstand vergrößern. Mir ist das Geschehen zu dicht. Die Luft da drin ist auch meistens warm und stickig. Wenn dann auch noch extrem laute Geräusche dazukommen, was bei fast jedem Kinofilm der Fall ist, reicht es endgültig. Meistens kann und muss ich dann nur noch eins: raus.



Hier habe ich einmal versucht zu verbildlichen, wie ein Kinobesuch für mich aussieht. Was natürlich nicht dazustellen geht, ist das helle Licht und die Lautstärke. Als Kinobild habe ich hier beispielhaft eine Szene aus dem Film "Die Kriegerin" eingesetzt, denn das war der Film, bei dem es so krass war, wie ich es bei fast keinem Film bisher erlebt habe - der Inhalt der Handlung rief bei den Zuschauern so starke Gefühle wie Betroffenheit, Entsetzen, Angst oder Abscheu hervor.

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