Dienstag, 24. September 2019
"Danke, dass du meine Wahrnehmung nicht für dich benutzt." - man braucht Menschen, für die das kein Thema ist
nacy_marynow, 21:24h
Ja, solche Menschen sind ungeheuer wichtig - besonders, wenn man wie ich tagtäglich von vielen Menschen umgeben ist. Früher habe ich sehr vielen von meiner Synästhesie, meiner Gefühlswahrnehmung, erzählt. Inzwischen bin ich damit sehr viel zurückhaltender geworden. Das heißt ja aber nicht, dass niemand mehr davon weiß. Es gibt ein paar Vertrauenspersonen, die bescheid wissen, und natürlich auch Menschen, die es erfahren haben, weil es nötig war. Dazu zählen zum Beispiel zwei Kollegen. Wenn man sich mit ihnen gut versteht, kommt irgendwann einfach irgendwann der Punkt, wo eine Erklärung nötig ist, warum man zusammenzuckt oder unvermittelt schweigsam wird ... denn natürlich wundern sie sich und stellen Fragen. Und da ich inzwischen merkte, dass ich ihnen zumindest grundlegend vertrauen kann, habe ich schließlich beide eingeweiht.
Das beinhaltet aber auch, dass ich ein gewisses Interesse geweckt habe. Während Kollegin A. das locker-flapsig sieht und eigentlich weder anspricht noch beachtet, versucht Kollegin B., besonders "verständnisvoll" zu sein. Wobei sich meiner Kenntnis entzieht, wofür sie da Verständnis aufbringen will. Erstens kann sie das ja gar nicht verstehen, zweitens ist betontes Verständnis echt anstrengend. Sie fragt dann, was ich wahrnehme und wie das aussieht... und merkt nicht, dass solche Fragen anstrengend sind.
Wenn man durch mehrere Menschen gezwungen wird, immer wieder seine Wahrnehmungen auszusprechen, tut es unbeschreiblich gut, mit jemandem befreundet zu sein, wo es völlig anders läuft. Wo nicht einmal die Frage kommt: "Was fühl ich denn gerade?", und auch nicht: "Siehst du bei XY irgendwelche Farben?" Wo meine Wahrnehmung nicht mal ein Thema ist, einfach nicht im Vordergrund steht. Für sie ist es einfach ... da. Ich hab halt diese Wahrnehmung, und sie weiß, dass ich immer und überall von ihr und jedem die Gefühle in Farben wahrnehme, und fertig. Da ist das eben so.
Selten kommt es mal vor, dass sie mich doch mal fragt, was ich in besonders seltsamen oder wichtigen Situationen wahrgenommen habe. Und dann habe ich, eben durch die Seltenheit, aber auch durch ihre Art, wie sie fragt, nicht das Gefühl von betontem Verständnis. Es ist eher schön, zu spüren, dass sie es ernst nimmt und ihr wichtig ist, zu zeigen, dass meine Wahrnehmung für sie einfach ein Teil von mir ist. Etwas, das ganz selbstverständlich da ist, etwas, das wertgeschätzt wird. Und das ist ein unglaubliches Gefühl.
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