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Montag, 14. August 2017
"Eine Erzieherin muss voller Elan sein, die Kinder mitreißen! ... Es ist eben jeder anders. Ich erwarte eigentlich nur, dass du Ideen hast."
nacy_marynow, 23:09h
Ja wie jetzt? Ein solches Gespräch hatte ich heute mit meiner Chefin. Naja, es wurde natürlich noch sehr viel mehr geredet. Aber diese eine Sache geht mir nicht aus dem Kopf. Morgen wird sie mich hospitieren, und weil mich in den letzten Tagen mehr und mehr das Gefühl beschlich (besser gesagt, ich es spürte, aber das kann ich ihr ja nicht sagen), dass ich ihr nicht so ganz gefalle, habe ich ihr heute gesagt, dass ich Angst habe.
Angst. Die begleitet mich seit zwei Wochen wieder. Dazwischen war es fast gut. Ich hörte Sätze wie: "Du hast dich richtig ins Positive verändert." oder "Die Portfolio-Seiten hast du super gestaltet." Und heute? Plötzlich ist da ein anderer Unterton. Plötzlich werde ich mit unserer Kollegin verglichen - die XY ist bombe, so wie sie werde ich nie sein. Muss ich das? Warum soll ich so sein wie sie? Jeder Mensch ist anders. Das ist das, was sie immer sagt, was wir den Kindern vermitteln.
Plötzlich will sie nochmal gucken, ob ich die Kinder voranbringen kann. Sie sei sich nicht sicher, ob das, was ich tue, zu dem passt, was sie erreichen will. Was für eine Aussage! Aber sie erwarte nichts von mir, außer, dass ich Ideen habe.
Von meiner Kreativität habe sie noch nichts gesehen. Ich frage mich, wen sie vor zwei Wochen für die Portfolio-Seiten gelobt hat. Wem sie in der ersten Woche sagte, die spontan ausgedachte Rückengeschichte habe ihr gefallen. Und wem sie letzte Woche sagte, sie erwartet nicht, dass ich mit den Kindern bastle, Freispiel sei wichtiger.
Ich muss mehr Beziehungsarbeit leisten, die Kinder für mich begeistern. Heute früh kam eins unserer Krippenkinder freiwillig von Mamas Armen in meine gelaufen. Ein anderes Krippenkind ruft durch die ganze Einrichtung meinen Namen, weil sie mir was zeigen will.
Mein letztes Angebot entsprach nicht dem situationsorientieren und kindbezogenen Handeln, aber alle waren voll bei der Sache und sprechen immernoch von dem gemeinsamen Ergebnis. Dabei hätte ich sie doch nicht aus ihrem Spiel rausreißen sollen.
Und, die Krönung: ich sei unsensibel. Unsensibel! Viele Kritikpunkte aus dem Gespräch - offener werden, mich ws trauen, mich einbringen, Ideen haben - kann ich gut und dankbar annehmen. Schließlich kann ich mich nur verbessern, wenn mit mir geredet wird. Ich sehe sogar ein, dass mir auf die Finger geguckt wird. Ich sehe nur zwei Dinge nicht ein, und die sorgen für diese Angstgefühle, die ich habe.
1. Ich soll mich nicht verstellen, soll Ideen einbringen, mich was trauen - aber ich werde auch nicht gefragt, angesprochen, einbezogen. Jeder ist anders, aber sie überlegt, ob ich zu dem passe, was sie will?
2. Ich soll unsensibel sein. Vermutlich (nur vermutlich!) denkt sie auch, ich gehe nicht auf die Kinder ein oder habe kein Gespür für sie.
Über das "unsensibel" komme ich einfach nicht hinweg. Ich gehe auf die Kinder ein, wenn sie traurig, wütend, enttäuscht sind. Ich habe ein Kind heute früh fröhlich gemacht, als es geweint hat. Zu mir kam das Krippenkind heute früh. Ich bekomme erzählt: "Weißt du, Frau ..., ich musste gestern weinen, weil ich Heimweh hatte." Ich komme super mit den beiden Eltern klar, vor denen ich gewarnt wurde: "Bei denen musst du vorsichtig sein, die sind speziell." Und wer ist die, die nach einer Das-geht-nicht-Erklärung ein enttäuschtes Kind in den Arm nimmt und sagt: "Aber ich verstehe dich."?
Wenn ich hier so schreibe, denke ich an die Praktika in der Vergangenheit zurück, die schiefgelaufen sind. Irgendwie ist das nicht selten bei mir. Wo ich auch bin höre ich, ich sei unsensibel, nehme zu wenig wahr, handle nicht nach der Situation. Ich werde mich niemals hinstellen und sagen, ich mache es richtig und die anderen sind komisch. Im Gegenteil. Wie oft habe ich mich gefragt, was ich anders machen muss? Wie oft habe ich gezweifelt, wie oft war ich verzweifelt. Auch jetzt, in der letzten Zeit, denke ich wieder: Kann ich es wirklich nicht? Bin ich tatsächlich so ein Problem? Passt die Welt nicht zu mir, oder ich nicht zu ihr?
Und doch, eine winzige Sache ist da, die ausreicht, dass ich nicht aufhöre. Die dafür sorgt, dass ich mir am Ende doch sage, so schlecht kann ich nicht sein. Es ist etwas, das bisher in jeder Einrichtung so war:
Die Kinder, die alle anstrengend finden, die "mit
Vorsicht zu genießen" sind, die "Schwierigen" -
das sind die, die mir Bilder malen. Das sind die,
die sagen: Ich hab dich lieb. Das sind die, die
bei mir, nur bei mir, ganz anders sind. Das sind
die, die mich jedes Mal am Ende angesehen
haben und sagten: "Ich will nicht, dass du
gehst."
Wenn ich daran denke, denke ich jedes Mal: eigentlich sollte ich über solche Aussagen gar nicht nachdenken. Innerlich weiß ich ja, dass ich keine Katastrophe bin. Aber da ist die Probezeit. Die Angst, rauszufliegen. Die Angst, Worte zu hören, deren Stich nicht wieder aufhören wird zu brennen. Also sagt man, dass man an sich arbeitet. Und arbeitet an sich. Man denkt sich: nur noch 2 Wochen, dann ist dasunddas. Danach nur 3 Wochen, dann ...
Aber abends, wenn ich alleine in meiner Wohnung sitze, könnte ich weinen, dass ich so denke. Man sollte morgens aufstehen, normal gelaunt zur Arbeit gehen, heimkommen und leben. Doch so einfach ist es nicht. Kommende Nacht werde ich wieder mehrfach aufwachen und jedes Mal denken: Bitte, lass es noch ewig sein, bis der Wecker klingelt. Beim Zähneputzen werde ich Tränen unterdrücken. Auf Arbeit werde ich alles geben. Am Nachmittag werde ich dasitzen und mich fragen: >Bin ich bescheuert? Warum habe ich mich so fertig gemacht?< Und werde mich furchtbar albern finden. Und dann ist wieder Abend. Wie lange geht dieser Kreis? Wie lange dauert es, bis man ihn durchbricht?
Angst. Die begleitet mich seit zwei Wochen wieder. Dazwischen war es fast gut. Ich hörte Sätze wie: "Du hast dich richtig ins Positive verändert." oder "Die Portfolio-Seiten hast du super gestaltet." Und heute? Plötzlich ist da ein anderer Unterton. Plötzlich werde ich mit unserer Kollegin verglichen - die XY ist bombe, so wie sie werde ich nie sein. Muss ich das? Warum soll ich so sein wie sie? Jeder Mensch ist anders. Das ist das, was sie immer sagt, was wir den Kindern vermitteln.
Plötzlich will sie nochmal gucken, ob ich die Kinder voranbringen kann. Sie sei sich nicht sicher, ob das, was ich tue, zu dem passt, was sie erreichen will. Was für eine Aussage! Aber sie erwarte nichts von mir, außer, dass ich Ideen habe.
Von meiner Kreativität habe sie noch nichts gesehen. Ich frage mich, wen sie vor zwei Wochen für die Portfolio-Seiten gelobt hat. Wem sie in der ersten Woche sagte, die spontan ausgedachte Rückengeschichte habe ihr gefallen. Und wem sie letzte Woche sagte, sie erwartet nicht, dass ich mit den Kindern bastle, Freispiel sei wichtiger.
Ich muss mehr Beziehungsarbeit leisten, die Kinder für mich begeistern. Heute früh kam eins unserer Krippenkinder freiwillig von Mamas Armen in meine gelaufen. Ein anderes Krippenkind ruft durch die ganze Einrichtung meinen Namen, weil sie mir was zeigen will.
Mein letztes Angebot entsprach nicht dem situationsorientieren und kindbezogenen Handeln, aber alle waren voll bei der Sache und sprechen immernoch von dem gemeinsamen Ergebnis. Dabei hätte ich sie doch nicht aus ihrem Spiel rausreißen sollen.
Und, die Krönung: ich sei unsensibel. Unsensibel! Viele Kritikpunkte aus dem Gespräch - offener werden, mich ws trauen, mich einbringen, Ideen haben - kann ich gut und dankbar annehmen. Schließlich kann ich mich nur verbessern, wenn mit mir geredet wird. Ich sehe sogar ein, dass mir auf die Finger geguckt wird. Ich sehe nur zwei Dinge nicht ein, und die sorgen für diese Angstgefühle, die ich habe.
1. Ich soll mich nicht verstellen, soll Ideen einbringen, mich was trauen - aber ich werde auch nicht gefragt, angesprochen, einbezogen. Jeder ist anders, aber sie überlegt, ob ich zu dem passe, was sie will?
2. Ich soll unsensibel sein. Vermutlich (nur vermutlich!) denkt sie auch, ich gehe nicht auf die Kinder ein oder habe kein Gespür für sie.
Über das "unsensibel" komme ich einfach nicht hinweg. Ich gehe auf die Kinder ein, wenn sie traurig, wütend, enttäuscht sind. Ich habe ein Kind heute früh fröhlich gemacht, als es geweint hat. Zu mir kam das Krippenkind heute früh. Ich bekomme erzählt: "Weißt du, Frau ..., ich musste gestern weinen, weil ich Heimweh hatte." Ich komme super mit den beiden Eltern klar, vor denen ich gewarnt wurde: "Bei denen musst du vorsichtig sein, die sind speziell." Und wer ist die, die nach einer Das-geht-nicht-Erklärung ein enttäuschtes Kind in den Arm nimmt und sagt: "Aber ich verstehe dich."?
Wenn ich hier so schreibe, denke ich an die Praktika in der Vergangenheit zurück, die schiefgelaufen sind. Irgendwie ist das nicht selten bei mir. Wo ich auch bin höre ich, ich sei unsensibel, nehme zu wenig wahr, handle nicht nach der Situation. Ich werde mich niemals hinstellen und sagen, ich mache es richtig und die anderen sind komisch. Im Gegenteil. Wie oft habe ich mich gefragt, was ich anders machen muss? Wie oft habe ich gezweifelt, wie oft war ich verzweifelt. Auch jetzt, in der letzten Zeit, denke ich wieder: Kann ich es wirklich nicht? Bin ich tatsächlich so ein Problem? Passt die Welt nicht zu mir, oder ich nicht zu ihr?
Und doch, eine winzige Sache ist da, die ausreicht, dass ich nicht aufhöre. Die dafür sorgt, dass ich mir am Ende doch sage, so schlecht kann ich nicht sein. Es ist etwas, das bisher in jeder Einrichtung so war:
Die Kinder, die alle anstrengend finden, die "mit
Vorsicht zu genießen" sind, die "Schwierigen" -
das sind die, die mir Bilder malen. Das sind die,
die sagen: Ich hab dich lieb. Das sind die, die
bei mir, nur bei mir, ganz anders sind. Das sind
die, die mich jedes Mal am Ende angesehen
haben und sagten: "Ich will nicht, dass du
gehst."
Wenn ich daran denke, denke ich jedes Mal: eigentlich sollte ich über solche Aussagen gar nicht nachdenken. Innerlich weiß ich ja, dass ich keine Katastrophe bin. Aber da ist die Probezeit. Die Angst, rauszufliegen. Die Angst, Worte zu hören, deren Stich nicht wieder aufhören wird zu brennen. Also sagt man, dass man an sich arbeitet. Und arbeitet an sich. Man denkt sich: nur noch 2 Wochen, dann ist dasunddas. Danach nur 3 Wochen, dann ...
Aber abends, wenn ich alleine in meiner Wohnung sitze, könnte ich weinen, dass ich so denke. Man sollte morgens aufstehen, normal gelaunt zur Arbeit gehen, heimkommen und leben. Doch so einfach ist es nicht. Kommende Nacht werde ich wieder mehrfach aufwachen und jedes Mal denken: Bitte, lass es noch ewig sein, bis der Wecker klingelt. Beim Zähneputzen werde ich Tränen unterdrücken. Auf Arbeit werde ich alles geben. Am Nachmittag werde ich dasitzen und mich fragen: >Bin ich bescheuert? Warum habe ich mich so fertig gemacht?< Und werde mich furchtbar albern finden. Und dann ist wieder Abend. Wie lange geht dieser Kreis? Wie lange dauert es, bis man ihn durchbricht?
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Sonntag, 25. Juni 2017
Nie wieder Schulbank - Super! ... oder?
nacy_marynow, 23:05h
Ich habe es geschafft. Dieser Satz sickert mir so langsam in mein Bewusstsein. Geschafft - nach zehn Jahren Schule, zwei Jahren Ausbildung und nochmal drei Jahren Ausbildung. Seit Freitag halte ich mein Abschlusszeugnis in mein Händen und freue mich, endlich arbeiten zu können. Es ist anders als die letzten Male, als ich ein Abschlusszeugnis bekam. Diesmal ist es endgültig. Fertig. Wahrscheinlich für immer, aber zumindest für sehr lange Zeit. Ich werde keinen einzigen Tag mehr stundenlang auf der Schulbank sitzen müssen und Bilder malen, weil der Unterricht so langweilig ist, dass ich fast vom Stuhl falle. Ich werde nicht mehr nach Hause kommen und mich fragen, was mir der Tag eigentlich gebracht hat. Ich werde nie wieder vormittags gelangweilt aus dem Fenster starren und denken: Was ich jetzt alles tun könnte. Ich werde nicht mehr über Lehrer schimpfen und mich nicht mehr von den ganzen Farben erdrückt fühlen, die hinter mir wie eine näherkommende Wand den Raum füllen. Das ist doch gut! Das ist super. Endlich werde ich arbeiten, was Sinnvolles tun, nicht mehr im Raum hocken; ich bin froh, dass alles vorbei ist! Ich ...
Plötzlich bin ich gar nicht mehr so fröhlich froh, wie ich es vor fünf Minuten noch war. Ob das am Wetter liegt? Es regnet und ist trüb. Ich freue mich aufs Arbeiten, sehr sogar, deshalb habe ich ja schon vor einer Woche eher damit angefangen. Es ist schön, ich denke, ich komme gut klar dort. Und Probleme gibt es überall, das gehört zum Leben. Auf jeden Fall bin ich dort noch kein einziges Mal von Farben erdrückt worden.
Aber das kann schließlich noch kommen. Das kann überall passieren, auch auf offener Straße. Und war es in meinem Klassenraum nicht doch irgendwie ganz okay? Ich wusste immer, wer da ist. Ich wusste in jeder Situation, mit welchen Farben ich gleich rechnen musste - ich kannte die Reaktionen der Leute ja. Und wenn meine Freundin da war, war das ja eh alles nicht so schlimm. Ihr Smaragdgrün, dass sie und ich und manch anderer ja nicht grundlos "Schild" nannten, machte alles erträglicher. Und nicht nur ihre Farbe sorgte dafür, dass ich mich immer ganz schnell besser fühlte - vor allem auch sie selbst. Ihre Art, mir positive Gedanken einzureden, so dass ich glaubte, sie wären Realität. Ihre Erscheinung, Wirkung, ihr Auftreten: ruhig und gelassen, fest und beweglich, spontan und vernünftig, alles zugleich. Ihre Art, die Dinge leicht zu nehmen, die man gar nicht leicht nehmen konnte.
Sie wird mir fehlen. Mehr als jeder andere in meiner Klasse, mehr als alles aus dem Alltag, den ich zur Schulzeit immer hatte. Mehr als die Tatsache, auch mal unaufmerksam sein zu können, nicht immer aktiv werden zu müssen. Natürlich bleibt unser Kontakt. Sie ist der erste Mensch, bei dem ich daran keine Sekunde zweifle. Wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis. Wir haben eine Seite, auf der wir fast jeden Abend ein bisschen schreiben. Wir haben selbst während monatelangen Praktika, wo wir uns nicht sahen, oft und stundenlang telefoniert und geschrieben. Mit keinem anderen, aber mit ihr. Auch, wenn eigentlich gar nichts war, sondern einfach so. Nein, aus den Augen verlieren werden wir uns nicht. Dazu sind wir zu anders eingestellt, denn wir müssen nicht jede Woche schreiben, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist auch nicht der Grund für meine leicht melancholischen Gedanken. Es ist eher ... sie war fast immer da. Wenn sie nicht krank war, war sie in der Schule, auf dem Platz neben mir. Wenn etwas war, war es sofort präsent. Wie sehr werden mir unsere täglichen Spaziergänge in den Pausen fehlen, auf denen wir tiefgreifende Gespräche führten. Wie sehr wird es mir fehlen, dass neben mir jemand sitzt, dem ich freiheraus sagen kann, was mir gerade abgedrehtes durch den Kopf geht, und der mit einem Grinsen antwortet: "Kenn ich." Wie seltsam wird es mir vorkommen, in unangenehmen Situationen keinen Fixpunkt zu haben, auf den ich mich konzentrieren kann, um alles auszuhalten.
Die Schulbank war, im Großen und Ganzen, doch nicht ganz so schlecht. Das sagen ja viele, und man will es nicht glauben. Doch wenn einem plötzlich bewusst wird, dass es endgültig vorbei ist, sieht man es auf einmal mit anderen Augen. Es gibt so viele Gedanken, die sich gegenseitig widersprechen. Sie heben ihr Gegenteil auf, und trotzdem bestehen sie beide gleichzeitig weiter:
War da nicht irgendwo eine Vertrautheit in dem, was man um sich hatte?
Die Vertrautheit wird sich auch da entwickeln, wo man jetzt ist.
War es nicht doch schön einfach, nur sitzen und hören zu müssen, ohne dass es schlimm ist?
Wird es nicht noch viel schöner sein, täglich etwas Sinnvolles zu tun?
Wird es ab jetzt nicht doch anders sein, wenn wir uns nicht mehr oft sehen?
War es nicht in den Praktika genauso, und es war trotzdem nichts anders?
So zieht es sich fort, und die Gedanken kreisen. Mir kommt das dazu passende Lied von Johannes Oerding in den Sinn. Eigentlich gibt es keinen Grund für trübe Gedanken, denn alles ist gut und es fühlt sich alles gut an. Doch mich durchzieht ein Gefühl, als würde ich nach etwas greifen wollen, dass mir durch die Finger gleitet, immer vor mir her. All das, was mich in den Zeiten voller Schwierigkeiten aufgerichtet hat, ist plötzlich bedeutsamer als das, was aktuell besteht. Und es verbindet sich zu einem hauchdünnen Wind, der sich wie eine Hülle um meinen Körper, um meine Existenz legt, als wäre er es, der mich durch alles trägt, was ich jetzt erlebe.
Plötzlich bin ich gar nicht mehr so fröhlich froh, wie ich es vor fünf Minuten noch war. Ob das am Wetter liegt? Es regnet und ist trüb. Ich freue mich aufs Arbeiten, sehr sogar, deshalb habe ich ja schon vor einer Woche eher damit angefangen. Es ist schön, ich denke, ich komme gut klar dort. Und Probleme gibt es überall, das gehört zum Leben. Auf jeden Fall bin ich dort noch kein einziges Mal von Farben erdrückt worden.
Aber das kann schließlich noch kommen. Das kann überall passieren, auch auf offener Straße. Und war es in meinem Klassenraum nicht doch irgendwie ganz okay? Ich wusste immer, wer da ist. Ich wusste in jeder Situation, mit welchen Farben ich gleich rechnen musste - ich kannte die Reaktionen der Leute ja. Und wenn meine Freundin da war, war das ja eh alles nicht so schlimm. Ihr Smaragdgrün, dass sie und ich und manch anderer ja nicht grundlos "Schild" nannten, machte alles erträglicher. Und nicht nur ihre Farbe sorgte dafür, dass ich mich immer ganz schnell besser fühlte - vor allem auch sie selbst. Ihre Art, mir positive Gedanken einzureden, so dass ich glaubte, sie wären Realität. Ihre Erscheinung, Wirkung, ihr Auftreten: ruhig und gelassen, fest und beweglich, spontan und vernünftig, alles zugleich. Ihre Art, die Dinge leicht zu nehmen, die man gar nicht leicht nehmen konnte.
Sie wird mir fehlen. Mehr als jeder andere in meiner Klasse, mehr als alles aus dem Alltag, den ich zur Schulzeit immer hatte. Mehr als die Tatsache, auch mal unaufmerksam sein zu können, nicht immer aktiv werden zu müssen. Natürlich bleibt unser Kontakt. Sie ist der erste Mensch, bei dem ich daran keine Sekunde zweifle. Wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis. Wir haben eine Seite, auf der wir fast jeden Abend ein bisschen schreiben. Wir haben selbst während monatelangen Praktika, wo wir uns nicht sahen, oft und stundenlang telefoniert und geschrieben. Mit keinem anderen, aber mit ihr. Auch, wenn eigentlich gar nichts war, sondern einfach so. Nein, aus den Augen verlieren werden wir uns nicht. Dazu sind wir zu anders eingestellt, denn wir müssen nicht jede Woche schreiben, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist auch nicht der Grund für meine leicht melancholischen Gedanken. Es ist eher ... sie war fast immer da. Wenn sie nicht krank war, war sie in der Schule, auf dem Platz neben mir. Wenn etwas war, war es sofort präsent. Wie sehr werden mir unsere täglichen Spaziergänge in den Pausen fehlen, auf denen wir tiefgreifende Gespräche führten. Wie sehr wird es mir fehlen, dass neben mir jemand sitzt, dem ich freiheraus sagen kann, was mir gerade abgedrehtes durch den Kopf geht, und der mit einem Grinsen antwortet: "Kenn ich." Wie seltsam wird es mir vorkommen, in unangenehmen Situationen keinen Fixpunkt zu haben, auf den ich mich konzentrieren kann, um alles auszuhalten.
Die Schulbank war, im Großen und Ganzen, doch nicht ganz so schlecht. Das sagen ja viele, und man will es nicht glauben. Doch wenn einem plötzlich bewusst wird, dass es endgültig vorbei ist, sieht man es auf einmal mit anderen Augen. Es gibt so viele Gedanken, die sich gegenseitig widersprechen. Sie heben ihr Gegenteil auf, und trotzdem bestehen sie beide gleichzeitig weiter:
War da nicht irgendwo eine Vertrautheit in dem, was man um sich hatte?
Die Vertrautheit wird sich auch da entwickeln, wo man jetzt ist.
War es nicht doch schön einfach, nur sitzen und hören zu müssen, ohne dass es schlimm ist?
Wird es nicht noch viel schöner sein, täglich etwas Sinnvolles zu tun?
Wird es ab jetzt nicht doch anders sein, wenn wir uns nicht mehr oft sehen?
War es nicht in den Praktika genauso, und es war trotzdem nichts anders?
So zieht es sich fort, und die Gedanken kreisen. Mir kommt das dazu passende Lied von Johannes Oerding in den Sinn. Eigentlich gibt es keinen Grund für trübe Gedanken, denn alles ist gut und es fühlt sich alles gut an. Doch mich durchzieht ein Gefühl, als würde ich nach etwas greifen wollen, dass mir durch die Finger gleitet, immer vor mir her. All das, was mich in den Zeiten voller Schwierigkeiten aufgerichtet hat, ist plötzlich bedeutsamer als das, was aktuell besteht. Und es verbindet sich zu einem hauchdünnen Wind, der sich wie eine Hülle um meinen Körper, um meine Existenz legt, als wäre er es, der mich durch alles trägt, was ich jetzt erlebe.
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Dienstag, 2. Mai 2017
Überreizt
nacy_marynow, 23:00h
Viele Menschen um mich herum bedeuten auch viele Farben um mich herum. Wenn es angenehme Farben sind, also die Menschen sich gut fühlen oder zumindest nicht schlecht, dann geht es. Aber wenn schlechte Stimmung in der Luft liegt, und das bei einer großen Menge an Leuten, dann kann es passieren, dass ich es nach einer Weile nicht mehr aushalte. Dann ist es, als hätte ich mich körperlich und geistig ziemlich angestrengt - ich fühle mich schwach und habe Kopfschmerzen, oft wird mir auch schlecht, und ich muss aus der Situation heraus.
Letzte Woche Donnerstag war wieder so ein Tag. Wir hatten nur sieben statt normalen acht Stunden, und die siebte Stunde war spontan eine Klassenleiterstunde geworden - hieß, wir diskutierten über Organisatorisches. Und die Diskussionen heizten sich auf. Eigentlich ging es um Nichtigkeiten, doch wie es oft so ist, hatte jeder eine andere Meinung und es wurde gemeckert, ohne eine Einigung zu finden. An diesem Tag war ich ohnehin schon angeschlagen, und so erschöpften mich die Farben der Klasse ziemlich. Ich war mehr als froh, als die Stunde vorbei war. Mein Freund, der mich nach der Schule abholen wollte, wusste nicht, dass ich eher Schluss hatte. Ich hätte es ihm schreiben können. Doch ich wollte es nicht. Ich kannte mich und wusste, dass ich diese übrige Dreiviertelstunde für mich selbst brauchen würde. Also entschied ich mich, im Klassenraum zu warten.
Als alle gegangen waren, machte ich Instrumentalmusik auf dem Handy an und malte weiter an dem Bild, an dem ich schon die ganze Stunde über gemalt hatte. Die Sonne schien auf mein Blatt. Und augenblicklich legte sich ein Gefühl der Erleichterung und Freiheit über mich, auch wenn es in mir noch immer brodelte und schrie wegen der Masse an unangenehmen Farben von eben gerade. Ich sah mich im Raum um und genoss es, wie leer er war, mit den ganzen hochgestellten Stühlen. Ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte, aber ich hätte noch ewig hier sitzen können und die stille Leere des Raums genießen. Es versetzte mich in Träumereien und Gedankenflüge, während ich dieses dumpfe unangenehme Gefühl im Bauch nicht los wurde. Dann dachte ich an meinen Freund, der ald unten warten würde, denn das eigentliche Unterrichtsende war fast da. Ich dachte daran, was ich jetzt alles vorhaben würde, und ich wollte nicht. Ich wollte nichts und niemanden. Ich wollte nirgends anders sein als hier, nicht mal zuhause, mit keinem und mit nichts als dem Blatt und den Stiften, und einfach immer weiter malen, bis ich aus eigenem Wunsch aufstehen und gehen würde, ohne dass mich etwas dazu zwang.
Letzte Woche Donnerstag war wieder so ein Tag. Wir hatten nur sieben statt normalen acht Stunden, und die siebte Stunde war spontan eine Klassenleiterstunde geworden - hieß, wir diskutierten über Organisatorisches. Und die Diskussionen heizten sich auf. Eigentlich ging es um Nichtigkeiten, doch wie es oft so ist, hatte jeder eine andere Meinung und es wurde gemeckert, ohne eine Einigung zu finden. An diesem Tag war ich ohnehin schon angeschlagen, und so erschöpften mich die Farben der Klasse ziemlich. Ich war mehr als froh, als die Stunde vorbei war. Mein Freund, der mich nach der Schule abholen wollte, wusste nicht, dass ich eher Schluss hatte. Ich hätte es ihm schreiben können. Doch ich wollte es nicht. Ich kannte mich und wusste, dass ich diese übrige Dreiviertelstunde für mich selbst brauchen würde. Also entschied ich mich, im Klassenraum zu warten.
Als alle gegangen waren, machte ich Instrumentalmusik auf dem Handy an und malte weiter an dem Bild, an dem ich schon die ganze Stunde über gemalt hatte. Die Sonne schien auf mein Blatt. Und augenblicklich legte sich ein Gefühl der Erleichterung und Freiheit über mich, auch wenn es in mir noch immer brodelte und schrie wegen der Masse an unangenehmen Farben von eben gerade. Ich sah mich im Raum um und genoss es, wie leer er war, mit den ganzen hochgestellten Stühlen. Ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte, aber ich hätte noch ewig hier sitzen können und die stille Leere des Raums genießen. Es versetzte mich in Träumereien und Gedankenflüge, während ich dieses dumpfe unangenehme Gefühl im Bauch nicht los wurde. Dann dachte ich an meinen Freund, der ald unten warten würde, denn das eigentliche Unterrichtsende war fast da. Ich dachte daran, was ich jetzt alles vorhaben würde, und ich wollte nicht. Ich wollte nichts und niemanden. Ich wollte nirgends anders sein als hier, nicht mal zuhause, mit keinem und mit nichts als dem Blatt und den Stiften, und einfach immer weiter malen, bis ich aus eigenem Wunsch aufstehen und gehen würde, ohne dass mich etwas dazu zwang.
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