Dienstag, 5. Juli 2022
Farben im Bauch - warum so lange Pause war
Es gibt etwas Neues in meinem Leben. Eine Veränderung. Eine, die auch auf meine Synästhesie Auswirkungen hat - und dabei ist so vieles so komplex, dass ich mich bis jetzt davor gescheut habe, Beiträge darüber zu verfassen. Es ist eine wunderbare Veränderung: ich bin Mutter geworden.

"Schnecki", kerngesund und nun schon ein Jahr alt, hat alles auf den Kopf gestellt. Klar, damit bin ich nicht alleine - so geht es allen Eltern auf der Welt. Ein Kind, vor allem das erste, verändert alles. Das war mir vorher klar, und so sollte es ja auch sein. Schon immer wollte ich eine Familie!
Was mir jedoch nicht klar war: Schwangerschaft, Geburt und Mutter sein hat auch einen Einfluss auf die Synästhesie. Und allmählich bekomme ich Lust, darüber zu schreiben. Das habe ich natürlich schon getan - für mich selbst, in viele Tagebücher, wie ich es seit Jahren mit allem tue. Doch der Wunsch, Menschen zu erreichen, die Synästhesie haben, ist ebenfalls da. Die auch erlebt haben, wie es ist, wenn sich das ganze Leben ändert und man Dinge wahrnimmt, die es vorher einfach nicht gab. Und was es bei mir auf einmal gab, waren Farben im Bauch.

Bevor ich wusste, dass Schnecki unterwegs ist, habe ich es gespürt. Gespürt, aber mir selbst nicht geglaubt. Wir wollten ein Kind, wollten es schon über ein Jahr, und dann plötzlich wusste ich, dass da etwas anders in mir ist. Ich versuchte, mir einzureden, dass es das ist, was ich hoffe. Sagte mir gleichzeitig, dass ich nicht zu sehr hoffen darf. Dann die Bestätigung des Arztes, und nur eine Woche später stand plötzlich alles auf der Kippe - eine Blutung. Kalte Angst davor, dass der Traum verplatzt. Lähmende Angst, dass ich das nicht verkraften würde.
Dieser Moment, in einem Warteraum zu sitzen und irgend so ein kleines Etwas, das da irgendwo sein muss, mit Mantra-artig wiederholtem "Du musst bleiben, du musst bleiben!" zu beschwören, gehört zweifellos zu den unbeschreiblichsten Ereignissen, die man erleben kann. Die Verbindung, die ich dabei zu meinem noch nicht einmal dreimonatigem Bauchkrümel spürte, ebenfalls.
Wir durften weiterträumen. Alles war gut. Die Wochen vergingen, eine Schwangerschaft, die keine weiteren Probleme mehr machte. Eines Tages machte es >Blubb<. Und als es immer öfter und stärker >Blubb< machte, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Farben von jemandem, den ich selbst nicht sehen konnte. Schneckis Farben.

Ja, Babys in Bäuchen haben Farben. Natürlich nicht von Anfang an, sondern ab da, wo sie fühlen, und groß genug sind, um genügend Gefühle auszustrahlen. Das wusste ich, weil ich schon die ein oder andere Schwangere in meinem Leben gesehen hatte. Doch diese Farben waren in meinem Bauch! Von meinem Kind. Das Erste, was ich von meinem Kind kannte, waren die Gefühle - ohne es selbst zu kennen. Ein unbeschreibliches, wunderbares Gefühl!

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Freitag, 8. November 2019
"Den Film muss ich mir zuhause nochmal ansehen." - welche Gründe mich vom Kino fernhalten
Es gibt Situationen, in denen es nicht unbedingt von Vorteil ist, Synästhesie zu haben. Welche das sind, ist wohl bei jedem unterschiedlich, schon alleine, weil ja jeder andere Synästhesien erlebt.
Ein Ort, der für mich sehr grenzwertig und nur schwer auszuhalten ist, ist das Kino. Die meisten jungen Leute lieben es, neue Filme gleich im Kino anzuschauen, frisch verliebt ins Kino zu gehen oder einfach ab und zu für das Kino-Gefühl. An diesem Punkt steige ich aus. Für mich lautet da ganz klar die Devise: lieber ohne mich. Wenn ich einen Film nicht nur verstehen, sondern auch genießen will, dann schaue ich ihn mir ganz in Ruhe zuhause an.
Schon als Kind war ich absolut kein Kinogänger, worüber sich besonders Freunde wunderten, die gern dahin einluden oder für die es ein Erlebnis war, ins Kino zu gehen. Ich wusste meistens nicht einmal, welche Filme da gerade liefen, denn das war für mich eh nicht wichtig - was ich sehen wollte, guckte ich per Video oder DVD (und heutzutage vielleicht auch mal im Internet). Ich mochte Kinos einfach nicht, nach Möglichkeit hielt ich mich von ihnen fern.
Das ist bis heute so geblieben. Natürlich gab es Situationen, wo ich nichts dagegen machen konnte. Eine Geburtstagsfeier konnte ich im Notfall absagen, doch wenn die Schule entschied, dass unsere Klasse ins Kino geht, musste ich mit. Vor allem, wenn ich nicht wollte, dass die Lehrer stundenlang mit mir diskutierten, was ich denn gegen das Kino habe und dass ich mich mit meiner "blühenden Fantasie doch mal zurückhalten" sollte. Schließlich sei ich nicht anders als der Rest der Klasse, wurde mir gesagt.
Außerhalb der Schulklassen schaffte ich es jedoch, fast immer um irgendwelche Kinobesuche herumzukommen, ohne dass jemand blöde Fragen stellte. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die mich bisher freiwillig in ein Kino bekommen haben. Darunter natürlich die Freundin mit der abschirmenden Farbe.
Apropros abschirmende Farbe - genau das ist der Punkt. Das Kino vereint zufällig alle für mich unangenehmen Faktoren, die mich ablenken und meistens überreizen ... Das fängt erstmal damit an, dass im Normalfall der Kinosaal voller Menschen ist - und voll von deren Gefühlen. Das alleine wäre an guten Tagen kein großes Problem, denn es gibt unzählige Situationen, wo ich von vielen Leuten umgeben bin. Weihnachtsmärkte, Klassen, Warteräume, Busse, Weiterbildungen, Restaurants und so weiter. Da sind immer viele Menschen und viele Farben, und daran bin ich ja gewöhnt.
Aber im Kino ist es dunkel. Das ist, als ob man auf ein schwarzes Papier mit bunten Pinseln Farbtupfer spritzt - die Farben treten klar und deutlich, geradezu übermächtig hervor, so als ob sie nicht nur vor meinem inneren Auge wären, sondern als würde der ganze Raum aus ihnen bestehen. Es sind ja, bis auf die Kinoleinwand, sonst keine optischen Reize da, in denen die Farben wie sonst untergehen können. Sie schieben sich wie ein Netz vor mein Blickfeld, wie ein Schleier, durch den ich erstmal durchgucken muss, um den Film zu sehen - und mich auf ihn konzentrieren zu können! Durch diese so überdeutlichen Gefühle der anderen Kinobesucher bin ich abgelenkt, ohne dass ich es will, und bräuchte meine ganze Konzentration, um zumindest zeitweise alles außer dem Film auszublenden.
Hinzu kommt die riesige Kinoleinwand, die so hell ist, dass ich das Gefühl habe, sie knallt gleich auf mich drauf. Keine Ahnung, warum ich das so empfinde, aber ich fühle mich von ihr regelrecht erschlagen, presse mich automatisch in die Rückenlehne, als könnte ich dadurch den Abstand vergrößern. Mir ist das Geschehen zu dicht. Die Luft da drin ist auch meistens warm und stickig. Wenn dann auch noch extrem laute Geräusche dazukommen, was bei fast jedem Kinofilm der Fall ist, reicht es endgültig. Meistens kann und muss ich dann nur noch eins: raus.



Hier habe ich einmal versucht zu verbildlichen, wie ein Kinobesuch für mich aussieht. Was natürlich nicht dazustellen geht, ist das helle Licht und die Lautstärke. Als Kinobild habe ich hier beispielhaft eine Szene aus dem Film "Die Kriegerin" eingesetzt, denn das war der Film, bei dem es so krass war, wie ich es bei fast keinem Film bisher erlebt habe - der Inhalt der Handlung rief bei den Zuschauern so starke Gefühle wie Betroffenheit, Entsetzen, Angst oder Abscheu hervor.

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Donnerstag, 10. Januar 2019
Die Farbe des Lebens ist bunt - von positiver Umkehrung
Alles, was im Leben passiert, hat zwei Seiten, eine gute und eine schlechte Seite. So ist es auch mit der Synästhesie. Es mag nicht sehr angenehm sein, dass ich überall, wo ich bin, alle Gefühle - also alle Farben - wahrnehmen muss. Ich kann nicht sagen: "Heute will ich mal nichts wahrnehmen." Es ist einfach da. Ob ich das alles sehen und wissen will oder nicht, ich sehe es. Ich weiß es. Ich spüre es. Von jedem Verwandten, jedem Freund, jedem Fremden. Ganz egal, ob ich an dem Tag so gut drauf bin, dass ich es verarbeiten kann.
So kann man es sehen - und so habe ich es jahrelang gesehen. Als Fähigkeit, aber als eine, die mir das Leben nicht gerade leicht macht. Dass man mit dieser Einstellung nicht immer glücklich ist, liegt wohl auf der Hand. Und dadurch wird man irgendwann empfänglich für neue Ideen, andere Wege, die einem vorgeschlagen werden. Das geht natürlich in kleinen Schritten. Da kommt eine Person, die sagt: "Also, ich sehe deine Wahrnehmung als eine echte Gabe an." Das wirkt. Von einem Moment auf den anderen habe ich angefangen, mich zu fragen, ob sie nicht vielleicht recht hat. Ob ich nicht stolz drauf sein sollte, dass ich mehr sehe als andere. Und sobald dieser Gedanke im Kopf ist, sieht man andere Worte schnell auf eine andere Weise.
Dann reicht es, wenn man ab und zu mal gesagt bekommt: "Ist ja cool!", "Sei doch stolz drauf." oder "Da kann dir keiner was vormachen." (was übrigens nicht ganz richtig ist). Und schon fängt man Stück für Stück an, umzudenken.
Es hat ziemlich lange gedauert und noch eine Freundin mehr gebraucht, bis ich das verstanden habe. Bis ich bemerkte, dass dieses ständige Verarbeiten-müssen die eine, unangenehme Seite der Medaille ist - und dass es noch die zweite Seite gibt. Ich sehe Farben, egal wohin ich gehe. Das bedeutet: das Leben ist bunt! Das Leben ist bunt. Und zwar nicht nur, weil ich die Farben sehen muss, sondern weil es so viele Facetten hat. Ich habe gelernt, dass ich meine Wahrnehmung nicht andauernd extra betrachten darf. Sie ist ein Teil meiner Welt. Alles, was ich erlebe, würde ich ohne Synästhesie völlig anders erleben. Deshalb habe ich auch all die schönen Momente, die unvergesslichen Erlebnisse, meiner Wahrnehmung zu verdanken. Denn sie machen mein Leben bunt - und genau das ist mein ganz persönliches Glück.

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Sonntag, 7. Januar 2018
Auf der Suche nach einer positiven Farbe
Oft genug habe ich erwähnt, dass mich das Smaragdgrün einer Freundin aus den tiefsten Gedankenlöchern ziehen kann. Inzwischen gibt es noch eine Person und eine Farbe mehr, die das kann. Und daneben gibt es noch einige andere, ebenfalls sehr positive Farben, die das auch ein bisschen schaffen. Nicht so stark wie diese beiden - aber es reicht, um mich besser zu fühlen, nicht mehr zu sehr zu grübeln, das Leben wieder leichter zu nehmen, wenn ich es kurz vorher nicht mehr leicht nehmen konnte. Somit gelingt es mir an fast allen schlechten Tagen, mich an irgendwas, an irgendwem, wieder hochzuziehen.
Doch "fast" und "immer" sind eben nicht dasselbe Wort. Was, wenn es Tage wie heute gibt, an denen all diese positiven, mitreißenden, helfenden Farben in weiter Ferne sind? Manchmal schaffe ich es, durch Aufschreiben oder Ablenken mit irgendwelchen mit belanglosen Dingen, davon wieder wegzukommen. Aber nicht immer. Nicht an solchen Tagen wie heute. Nicht mit solchen Gefühlen, wie ich sie heute schon seit dem Aufstehen habe.
Der Vormittag war etwas, das ich so stark selten habe. Aufräumen war angesagt. Sortieren. Weihnachtsdeko wegräumen. Schon beim Aufstehen war ich in einer unschönen Stimmung. Ich fühlte mich leer, antriebslos, bedrückt, ohne zu wissen, warum überhaupt. Um gar nicht erst in diese Gefühle zu versinken, legte ich so schnell wie möglich los. Ich suchte mir ein Lied, auf das ich gerade Lust hatte, stellte es auf Dauerschleife ein und drehte es laut. Es begleitete mich den gesamten Vormittag, immer wieder von vorne. Und ich tat, was ich tun wollte - doch bei der Sache war ich kein einziges Mal.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich innehielt. Ich stellte mich ans angekippte Fenster oder setzte mich auf den Couchtisch. Starrte nach draußen. Dachte an schöne Momente und Worte, die mit meinen engsten Freunden zusammenhingen. An jemanden, der mir seit dem Sommer im Leben fehlt. An unglaublich viele besondere Stunden, Zaubermomente, die in den letzten Wochen passierten. Immer wieder kamen mir die Tränen. Immer wieder raffte ich mich wieder auf und räumte weiter. Im Kopf schmerzhafte Gedanken, Zweifel, Wünsche, Ängste. All diese Gedanken waren nicht neu, waren mir nicht unbekannt, und jeder einzelne von ihnen auch nicht besonders schlimm. Doch alle gleichzeitig, auf einem Haufen, wirkten erdrückend und beklemmend, liegen auf mir wie Blei; und es fühlt sich an, als wolle ich aufspringen und rennen und schreien, aber nichts davon geht.
Jetzt, am Abend, ist es fast noch schlimmer als am Vormittag. Gedanken ziehen durch meinen Kopf, die ich nicht zu fassen kriege. Gefühle sind in mir, die ich nicht benennen kann. Ich bin in einer Stimmung, die gefährlich für mich selber ist - in der Hinsicht, dass ich spüre, dass ich alleine aus diesem Strudel nicht herauskomme, dass ich den Anstoß von jemand anderem brauche, um wieder klar denken zu können und nicht in ein Loch zu versinken. Da reicht ein kleiner Moment, eine winzige Sache, die demjenigen nicht einmal auffällt, weil es überhaupt nicht wichtig ist, was für ein Anstupser das ist. Wichtig ist nur, von wem er kommt. Und noch wichtiger, dass er kommt.
Es heißt immer, wenn man glaubt, dass eine Grenze ist, dass man am Ende ist, dass man sich verfahren hat; dann öffnet sich irgendwo eine Tür, jemand nimmt dich bei der Hand und ohne dass es eine große Sache wäre, holt er dich aus der Sackgasse. Ich habe tatsächlich oft genug erlebt, dass es so ist. Doch wenn man daran glaubt, dann wartet man darauf. Und wenn man darauf wartet, und es nicht passiert, dann wird es noch schwieriger, sich allein wieder aufzuraffen. Und genau diese Gedanken, an das, was kommen könnte, sind es, die verhindern, dass ich mich besser fühle.

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Dienstag, 24. Oktober 2017
Alles neu - alles alt
Ein Neuanfang bedeutet nicht immer, dass alles neu ist. Es kann auch ein Neuanfang sein, einfach etwas hinter sich zu lassen, das man eine Weile gehabt hat - und in etwas zurückzukehren, was man eine lange Zeit nicht mehr hatte.
Hätte mir früher jemand gesagt, dass ich einmal in den Ort zurückkehren würde, in dem ich fast mein ganzes Leben verbracht habe, hätte ich ihm wohl eine runtergehauen. Als ich vor fünf Jahren in eine andere Stadt ging, um dort meine Ausbildung zu machen, jubelte alles in mir. Ich wollte hier fort. "Das alte Leben" nannte ich abfällig all das, was bis dahin mein Leben ausgemacht hatte. Ich wollte mit nichts davon mehr zu tun haben, alles hinter mir lassen, und woanders neu anfangen. So habe ich dann fünf Jahre lang gelebt - mit Höhen und Tiefen, neuen Freunden und tollen Momenten, falschen Freunden und bitteren Enttäuschungen. Je länger ich dort war, desto mehr kam die Einsicht, dass ein Leben immer genau so verlaufen würde, wohin es mich auch verschlug.

Als dann alles auf einmal geschah, war es, als gäbe es auf einmal nur diesen einen Weg für mich. Anders als in den Wochen vorher wusste ich plötzlich genau, was ich tun musste und was ich tun wollte. Es war so klar, und es lief so schnell wie von selbst, dass ich nur drei Wochen später plötzlich mit vollgepackten Taschen vor meinem Elternhaus stand. Ich sah es an, und es fühlte sich komisch an zu wissen, dass das kein normaler Besuch, sondern eine Rückkehr für immer war.
Ich war wieder da. Die fünf Jahre, die ich woanders gelebt und all das hier fast schon abgelehnt hatte, erschienen mir von einem Tag auf den anderen nur noch wie ein kurzer Ausflug in ein anderes Leben. Als ich ein paar Tage nach meiner Ankunft einen Spaziergang machte, lief ich die alten Wege ab. Wege, die ich, als ich hier lebte, mit besonderen Erinnerungen verband. Ich hörte Musik, so wie immer auf Spaziergängen, weil ich sonst meine eigenen Gedanken und Gefühle oft kaum aushielt.
In mir stiegen Bilder auf, gute und schlechte, aber alle intensiv. Erinnerungen an Erlebnisse mit alten Freunden. Empfindungen Leuten gegenüber, deren Leben sich schon vor längerer Zeit von meinem entfernt hatten. Alles, was ich sah, war mir fremd und vertraut zugleich. Es hatte sich fast nichts verändert - und wenn doch, waren es Kleinigkeiten, das Grundlegende war geblieben. Häuser, Bäume, Wege, Erinnerungen, Gefühle ... alles schien vor fünf Jahren einfach stehengeblieben zu sein und nur auf mich gewartet zu haben. Nur darauf, dass ich jetzt, hier und heute, zurückkehrte. Als hätte die ganze Welt es gewusst - nur ich nicht.
Doch all das Alte, Vertraute, war trotzdem neu. Denn ich sah es nun mit einem Gefühl an, dass ich dabei noch nie gehabt hatte: mit dem Gefühl, noch einmal neu anzukommen. Das versetzte mich in eine sonderbare, glückselig-verwirrte Stimmung, die mich mehr tanzen als gehen ließ - tanzen durch ein Meer von Bildern, Gefühlen und Farben, die meine Umgebung malten. Genauso wie damals, und doch irgendwie ganz neu.

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Sonntag, 25. Juni 2017
Nie wieder Schulbank - Super! ... oder?
Ich habe es geschafft. Dieser Satz sickert mir so langsam in mein Bewusstsein. Geschafft - nach zehn Jahren Schule, zwei Jahren Ausbildung und nochmal drei Jahren Ausbildung. Seit Freitag halte ich mein Abschlusszeugnis in mein Händen und freue mich, endlich arbeiten zu können. Es ist anders als die letzten Male, als ich ein Abschlusszeugnis bekam. Diesmal ist es endgültig. Fertig. Wahrscheinlich für immer, aber zumindest für sehr lange Zeit. Ich werde keinen einzigen Tag mehr stundenlang auf der Schulbank sitzen müssen und Bilder malen, weil der Unterricht so langweilig ist, dass ich fast vom Stuhl falle. Ich werde nicht mehr nach Hause kommen und mich fragen, was mir der Tag eigentlich gebracht hat. Ich werde nie wieder vormittags gelangweilt aus dem Fenster starren und denken: Was ich jetzt alles tun könnte. Ich werde nicht mehr über Lehrer schimpfen und mich nicht mehr von den ganzen Farben erdrückt fühlen, die hinter mir wie eine näherkommende Wand den Raum füllen. Das ist doch gut! Das ist super. Endlich werde ich arbeiten, was Sinnvolles tun, nicht mehr im Raum hocken; ich bin froh, dass alles vorbei ist! Ich ...
Plötzlich bin ich gar nicht mehr so fröhlich froh, wie ich es vor fünf Minuten noch war. Ob das am Wetter liegt? Es regnet und ist trüb. Ich freue mich aufs Arbeiten, sehr sogar, deshalb habe ich ja schon vor einer Woche eher damit angefangen. Es ist schön, ich denke, ich komme gut klar dort. Und Probleme gibt es überall, das gehört zum Leben. Auf jeden Fall bin ich dort noch kein einziges Mal von Farben erdrückt worden.
Aber das kann schließlich noch kommen. Das kann überall passieren, auch auf offener Straße. Und war es in meinem Klassenraum nicht doch irgendwie ganz okay? Ich wusste immer, wer da ist. Ich wusste in jeder Situation, mit welchen Farben ich gleich rechnen musste - ich kannte die Reaktionen der Leute ja. Und wenn meine Freundin da war, war das ja eh alles nicht so schlimm. Ihr Smaragdgrün, dass sie und ich und manch anderer ja nicht grundlos "Schild" nannten, machte alles erträglicher. Und nicht nur ihre Farbe sorgte dafür, dass ich mich immer ganz schnell besser fühlte - vor allem auch sie selbst. Ihre Art, mir positive Gedanken einzureden, so dass ich glaubte, sie wären Realität. Ihre Erscheinung, Wirkung, ihr Auftreten: ruhig und gelassen, fest und beweglich, spontan und vernünftig, alles zugleich. Ihre Art, die Dinge leicht zu nehmen, die man gar nicht leicht nehmen konnte.
Sie wird mir fehlen. Mehr als jeder andere in meiner Klasse, mehr als alles aus dem Alltag, den ich zur Schulzeit immer hatte. Mehr als die Tatsache, auch mal unaufmerksam sein zu können, nicht immer aktiv werden zu müssen. Natürlich bleibt unser Kontakt. Sie ist der erste Mensch, bei dem ich daran keine Sekunde zweifle. Wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis. Wir haben eine Seite, auf der wir fast jeden Abend ein bisschen schreiben. Wir haben selbst während monatelangen Praktika, wo wir uns nicht sahen, oft und stundenlang telefoniert und geschrieben. Mit keinem anderen, aber mit ihr. Auch, wenn eigentlich gar nichts war, sondern einfach so. Nein, aus den Augen verlieren werden wir uns nicht. Dazu sind wir zu anders eingestellt, denn wir müssen nicht jede Woche schreiben, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist auch nicht der Grund für meine leicht melancholischen Gedanken. Es ist eher ... sie war fast immer da. Wenn sie nicht krank war, war sie in der Schule, auf dem Platz neben mir. Wenn etwas war, war es sofort präsent. Wie sehr werden mir unsere täglichen Spaziergänge in den Pausen fehlen, auf denen wir tiefgreifende Gespräche führten. Wie sehr wird es mir fehlen, dass neben mir jemand sitzt, dem ich freiheraus sagen kann, was mir gerade abgedrehtes durch den Kopf geht, und der mit einem Grinsen antwortet: "Kenn ich." Wie seltsam wird es mir vorkommen, in unangenehmen Situationen keinen Fixpunkt zu haben, auf den ich mich konzentrieren kann, um alles auszuhalten.
Die Schulbank war, im Großen und Ganzen, doch nicht ganz so schlecht. Das sagen ja viele, und man will es nicht glauben. Doch wenn einem plötzlich bewusst wird, dass es endgültig vorbei ist, sieht man es auf einmal mit anderen Augen. Es gibt so viele Gedanken, die sich gegenseitig widersprechen. Sie heben ihr Gegenteil auf, und trotzdem bestehen sie beide gleichzeitig weiter:

War da nicht irgendwo eine Vertrautheit in dem, was man um sich hatte?
Die Vertrautheit wird sich auch da entwickeln, wo man jetzt ist.

War es nicht doch schön einfach, nur sitzen und hören zu müssen, ohne dass es schlimm ist?
Wird es nicht noch viel schöner sein, täglich etwas Sinnvolles zu tun?

Wird es ab jetzt nicht doch anders sein, wenn wir uns nicht mehr oft sehen?
War es nicht in den Praktika genauso, und es war trotzdem nichts anders?

So zieht es sich fort, und die Gedanken kreisen. Mir kommt das dazu passende Lied von Johannes Oerding in den Sinn. Eigentlich gibt es keinen Grund für trübe Gedanken, denn alles ist gut und es fühlt sich alles gut an. Doch mich durchzieht ein Gefühl, als würde ich nach etwas greifen wollen, dass mir durch die Finger gleitet, immer vor mir her. All das, was mich in den Zeiten voller Schwierigkeiten aufgerichtet hat, ist plötzlich bedeutsamer als das, was aktuell besteht. Und es verbindet sich zu einem hauchdünnen Wind, der sich wie eine Hülle um meinen Körper, um meine Existenz legt, als wäre er es, der mich durch alles trägt, was ich jetzt erlebe.

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Montag, 24. April 2017
Jetzt tu nicht so, ich hab´s doch längst gesehen...
Noch befinde ich mich auf den letzten Metern meiner Erzieherausbildung, und ich kann das Licht am Ende des Tunnels schon sehen - endlich arbeiten, bald ist es soweit! Doch noch sitze ich Tag für Tag in einem Raum mit meiner Klasse. Meine Klasse - ein bunt gemischter Haufen Leute mit ständigem Stimmungs-Auf-und-Ab. Und damit meine ich nicht nur die Farben, sondern vor allem die Tatsache, dass sich das Klassenklima oft ändert. Tatsächlich gibt es nur eine Handvoll Leute, die darin authentisch sind - und das sollen alles Erzieher werden ... naja, es ist nicht mein Part, sowas zu beurteilen. Was ich allerdings sehr wohl beurteilen kann, ist, dass sehr viele sich selbst und anderen viel vorspielen.
Eine Mitschülerin hebe ich hierbei besonders hervor. Sie ist älter als ich, aber nicht viel, sie ist um die 30 und bereits Mutter. In meinem zweiten Ausbildungsjahr wechselte sie von einer anderen Schule zu uns, und nach einem halben Jahr waren sie und ich plötzlich Banknachbarn. Sie zählt zu den Aufmerksamen, das heißt, sie hatte bereits von meiner Synästhesie mitbekommen, obwohl nur ein ganz kleiner Teil der Klasse davon wusste. Und sie war fasziniert. Andauernd löcherte sie mich mit Fragen. Welche Farben standen für welches Gefühl? Wie viele Farben hat ein Mensch meistens so? Und so weiter.
Das hielt ungefähr zwei Wochen an. Ich sah, dass ihr Interesse ehrlich war, und gab ihr meistens Antwort. In der dritten Woche änderte sich ihre Farbwelt dann immer öfter: zwischendurch konnte ich bei ihr Farben entdecken, die in die ablehnend-distanzierte Richtung gingen. Sie tauchten wie kurze Schnappschüsse im Wechsel mit ihren üblichen Farben auf.

Nun bin ich kein Mensch, den es unglaulich stört, wenn jemand ihn nicht sympatisch findet (nicht mehr, aber das ist ein anderes Thema). Doch es irritierte mich, denn die Art und Weise war ungewöhnlich, dieser unregelmäßig aprupte Wechsel verwirrte mich. Um es besser einordnen zu können, malte und schrieb ich es auf. Noch eine Woche verging, dann schrieb sie mich eines abends an, sie wolle, dass ich den Sitzplatz wechsle, da es mit uns nicht passe.
Das Ganze ist über ein Jahr her. Wir haben nicht viel miteinander zu tun, und wenn doch, sprechen wir normal miteinander. Manchmal kommen mir gegenüber komische Spitzen, die andere nicht zu hören scheinen. Doch auch wenn sie nicht kommen, sehe ich, dass ihr freundlicher Umgang mit mir nichts als Schein ist, denn dieser Farbwechsel geschieht noch immer. Nämlich, sobald sie mit mir spricht. Ich weiß, dass sie nichts gegen mich hat. Ich weiß, dass ihr bewusst ist, dass ich diese Veränderung sehe. Es ist eine Art Mischung aus Unsympathie, Falschheit, Verstellung und seltsamer Lebenseinstellung, die diese Frau in sich trägt - und ich muss zugeben, besonders gern halte ich mich in ihrer Gegenwart auch nicht auf.

So wie bei ihr, passiert es mir oft. Menschen sprechen mit mir oder mit mir oder anderen über jemanden, oder sie gehen miteinander irgendwie um; und ich sitze da und denke: Du meinst etwas anderes. Du tust nur so. Dir geht das-und-das durch den Kopf. Und immer, wenn ich in einer Situation bin, frage ich mich, warum sie nicht einfach zugeben, was sie doch eigentlich am liebsten sagen wollen.

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Dienstag, 31. Januar 2017
Wenn sich die Farben im Raum ändern
Ein Phänomen, das sich aus der Gefühlswahrnehmung ergibt, ist, dass ich Personenveränderungen in meiner Umgebung sofort bemerke. Und zwar nicht nur, wenn ich wach bin. Auch im Schlaf. Wenn ich mit mehreren Personen im Raum einschlafe, beispielsweise bei einem Abend mit Freunden, weiß ich ja, wer sich im selben Zimmer befindet und sehe auch die Gefühlsfarben, die dazugehören. Mein Kopf sortiert das. Er speichert und verarbeitet, welche Farben von wem kommen; und mit dieser Zuordnung im Kopf, diesem Farbenbild, schlafe ich ein. Verlässt nun jemand den Raum oder kommt jemand dazu, ändert sich dieses Farbenbild - es lösen sich Farben heraus oder werden hinzugefügt. Diese Veränderung bemerkt mein Kopf, und davon werde ich wach. Natürlich kann ich im Schlaf nicht so komplex denken, dass ich weiß, dass ich nur aufwache, weil jemand herausgegangen oder hereingekommen ist, aber das sehe ich ja, wenn ich wach bin. Entscheidend ist, ich werde wach.
Zugegeben, das Ganze klingt schon ziemlich absurd. Deshalb nimmt das auch meistens keiner für voll, wenn ich es erkläre. Gute Freunde von mir mussten es erst mit der Zeit lernen - man kann sich nicht reinschleichen, wenn ich schlafe. Nicht einmal beim Zelten, wenn ich hundemüde in den Schlafsack gefallen bin. Wenn jemand ins Zelt kommt, wache ich auf. Wenn jemand auf Toilette oder sonstwo hin geht, wache ich auch auf. Und wenn derjenige zurückkommt, wache ich nochmal auf. Zum Glück kann ich ja auch schnell wieder einschlafen. Solang die Person, die rausgegangen ist, nicht zulange wegbleibt.

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Sonntag, 20. November 2016
Die Farbe der tief verwurzelten Lebensfreude
In meinem Leben habe ich schon viele Menschen und mit ihnen viele Gefühlsfarben kennengelernt. Da gibt es Farben, die häufig sind - Freude und Langeweile, Wut und Enttäuschung, Anspannung und Aufregung. Farben, die mir beinahe alltäglich begegnen. Ich habe mich an eine bestimmte Farbmischung gewöhnt, von der ich meistens umgeben bin, wenn nichts Außergewöhnliches geschieht. Und durch die langjährige Erfahrung erwarte ich in bestimmten Situationen auch bestimmte Farben. An dem Tag, an dem meine zweite Ausbildung, die zur Erzieherin, begann, ging es mir nicht anders. Da es für alle seltsam und ungewohnt ist, mit wildfremden Menschen in einem Raum zu sitzen und zu wissen, dass man sie drei Jahre lang den größten Teil des Tages um sich haben wird, erwartete ich auch hier die entsprechende Farbmischung - grau-mittelblau-lindgrün mit ein paar dunkelblauen Tupfen, was zusammengefasst für eine leicht angespannte, aufgeregte, nervös-ängstliche und gleichzeitig betont gelassene Stimmung steht. Ich kannte das Schulgebäude bereits, denn dort hatte ich die Vorausbildung zur Sozialassistentin gemacht, und ich wusste auch, dass einige aus meiner alten Klasse in meine neue Klasse kommen würden. Trotzdem sah ich auf dem Gang nur fremde Gesichter. Auch ich war aufgeregt, und musste mich wegen den ganzen Farben erst sortieren, auch wenn diese wie erwartet ausfielen. Um mich nicht zusätzlich zu verwirren, sah ich an den Leuten vorbei und eher auf den Boden. Urplötzlich, ich wollte gerade durch die Tür des Klassenzimmers gehen, tauchte eine komplett andere Farbe vor mir auf. Sie war so dermaßen anders als der ganze andere Farbenbrei, dass ich erschrocken den Kopf hob. An mir ging ein Mädchen vorbei, dass ich vom Alter her nicht einschätzen konnte, sie aber so in meine Altersklasse einordnete (ich war 20); und deren Gesicht einer alten Klassenkameradin so stark ähnelte, dass ich sie fast mit diesem Namen angesprochen hätte. Gerade noch rechtzeitig fiel mir auf, dass sie es nicht war, und sie war auch schon um die Ecke gebogen. Damit ihr euch vorstellen könnt, wie sehr sich diese eine Farbe von den anderen abgehoben hat, stelle ich euch das hier mal dar:

Nochmal zur Erwähnung: ein Mensch hat nie nur ein Gefühl und deshalb nie nur eine Farbe. Sie hatte allerdings in diesem Moment die gleichen Farben wie alle anderen und zusätzlich eine ganz andere. Der Unterschied war so groß, dass mir in dem Moment hauptsächlich nur diese eine Farbe auffiel.
Ich war jetzt jedenfalls doch verwirrt und ging ins Zimmer, wo ein Stuhlkreis gestellt war. Auf der hinteren Seite saßen die ganzen "Sozis", wie wir Sozialassistenten zusammenfassend bezeichnet werden. Ich setzte mich erst einmal dazu, immerhin habe ich gerne den Überblick über den Raum (auch, um von keinen Farben überrascht zu werden, die von hinten kommen). Nach und nach kamen weitere, mir fremde Personen hinein und suchten sich einen Platz. Irgendwann war die Farbe wieder da, in Form des Mädchens, das aussah wie meine alte Klassenkameradin, bloß mit einer anderen Haarfarbe. Sie setzte sich auf einen Stuhl auf der rechten Seite, von mir ausgesehen. Jetzt sah ich, was das für eine so auffällige Farbe war: Smaragdgrün. Wie immer, wenn ich eine eher unübliche Farbe analysieren will, kramte ich in meinem Gedächtnis nach der dazugehörigen "Übersetzung" - also dem Gefühl, der Bedeutung, die diese Farbe hatte. Ich kam nicht drauf. Ich wusste, dass es etwas sehr Angenehmes war, aber ich wusste nicht, was.
Wenn ich die Farben, die ich sehe, mal nicht einordnen kann, lässt mir das keine Ruhe. Ich konnte nicht anders, als immer wieder zu ihr rüberzuschauen, und versuchte, mir die Farbbedeutung durch irgendwas zu erschließen. Durch die Bewegungen, die Art zu reden oder irgendwas anderes. Doch alles, was ich merkte, war, dass ich diese Farbe noch nie vorher irgendwo gesehen hatte. Und ich merkte die Auswirkungen dieser Farbe. Sie hatte etwas Beruhigendes, eine Art Glücksempfindung, und sie steckte an. Ich war gelöster, sobald ich mich auf dieses Smaragdgrün konzentrierte. Und sie steckte an, riss mit, auf eine nicht benennbare Weise. Ich war nicht so farbempfindlich wie sonst, die Aufregung und Nervosität im Raum erreichte mich kaum noch. Smaragdgrün war wie ein Schild.
Es dauerte damals noch eine ganze Weile, bis ich benennen konnte, was dieses Smaragdgrün war. Das konnte ich erst, als ich die dazugehörige Person - die inzwischen eine sehr gute Freundin von mir ist - näher kennenlernte. Irgendwann, ganz plötzlich mittendrin, kam die Erleuchtung: innere, tief verwurzelte Lebensfreude. Diese Bezeichnung kam mir spontan in den Sinn (so wie der Farbenname der Schmerzen^^), und seitdem nutze ich sie so. Diese Wirkung hält bis heute an: ich kann neben meiner Freundin sitzen, ganz vorne im Raum, und die anderen Farben stören mich viel weniger. Ansteckend ist diese Lebensfreude auch. Sie reißt mich mit, manchmal so ungestüm, dass ich selber nicht mitkomme, und dann erfasst mich eine Welle der Euphorie, über die ich hinterher manchmal nur den Kopf schütteln kann. Und ich habe diese Gefühlsfarbe bisher nicht bei jemand anderem wiedergefunden. Warum? Ganz einfach: wer besitzt denn heutzutage noch tiefe, innere Lebensfreude?

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Donnerstag, 14. April 2016
"Heute hast du seltsame Farben!" - Wie gut es tut, über seine Wahrnehmungen sprechen zu können
Eine Freundin - die, der ich die Farbe von Schmerz beschrieben habe - weiß sehr intensiv über meine Synästhesie bescheid. Sie interessiert sich nicht nur sehr dafür, sondern versucht es nachzuvollziehen und zu verstehen. Einmal sagte sie, gern mal mit mir tauschen zu wollen, wenndas ginge, nur für einen Tag. Sie hat auch so schon ein gute Menschenkenntnis, und oft teilt sie mir ihre Vermutung mit, was sie denkt was ich bei einer Person gerade sehen müsste, und dann werten wir das aus. Das tut gut. Obwohl sie keine Synästhesie hat, geben mir diese Gespräche das Gefühl, damit nicht alleine zu sein. Ich muss sie nicht still für mich aufschreiben und dann vergraben - ich kann darüber reden, meine Wahrnehmungen mit jemandem teilen, sie verarbeiten. Gerade bei der Sache mit den Gefühlen gibt es Dinge, die ich nicht einfach "abhaken" kann, die mich beschäftigen. Da tut es gut, jemanden zu haben, der zuhört. Und manchmal, ziemlich oft eigentlich, meinen Gedanken etwas auf die Sprünge hilft.
Das Schöne ist, dass sie mich oft nach ihren Farben fragt. Ich kann zu ihr sagen: "Du hast heute seltsame Farben." oder "Die Farbe, die du heute hast, kann ich nicht einordnen." und dann kann ich ihr die Farben erklären (oder es versuchen).

Ungefähr vor drei Wochen gab mir genau diese Freundin an einem Tag Rätsel auf. Auch sie zählt zu denen, die meist konstante Farben haben. An diesem Tag ärgerten wir uns ziemlich über eine Lehrerin. Ich war gerade gut in Fahrt, da ließ mich etwas stutzen. Fasziniert versuchte ich, aus dem Farbenbrei meiner Freundin schlau zu werden, während sie mich belustigt ansah und darauf wartete, dass ich etwas sagte. Schließlich rang ich mich zu der Aussage durch:
"Das ist eine verdammt seltsame Farbe."
"Was denn für eine?"
"Schwer zu beschreiben ... so dunkelbraunes Olivgrün mit hellen Flecken."
Meine Freundin lachte, und ich nahm mir vor, ihr das am Abend auf Paint aufzumalen und zu schicken. Das tat ich dann auch. Hier das Ergebnis:

Natürlich musste ich ihr genau aufschlüsseln, welche Bedeutung die Farben hatten. Und natürlich zeichnete ich ihr auch einen "Klecks" mit den Farben, die ich normalerweise an ihr sehen konnte. Mir fiel auf, dass auch die negativen Farben - wie an diesem Tag - leichter erträglich sind, allein dadurch, dass ich mit jemandem darüber rede.

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